Die menschlichen Organe sind einerseits in ihren Funktionen eigenständig, stehen jedoch durch das Blut- und Nervensystem in enger Verbindung miteinander. Sie verhalten sich ähnlich wie Mitglieder einer Gruppe: Jedes Organ arbeitet relativ selbständig, fügt sich aber stets in das Zusammenspiel des gesamten Organismus ein.
Dieses komplexe Zusammenspiel ist ein faszinierender Aspekt der Medizin, der das Erforschen der Ursachen von Symptomen zu einer spannenden Entdeckungsreise macht. So wie die Milz die Bauchspeicheldrüse energetisch unterstützt, zeigt sich häufig, dass Knoten in der Gebärmutter später auch in der Schilddrüse auftreten. Ebenso beeinflusst der Zorn der Gallenblase den Hals, was die Schilddrüse anschwellen lassen und die Stimme verändern kann.
In diesem Beitrag widme ich mich verschiedenen Aspekten der Nieren, erläutere die wichtigsten Laborparameter, gebe Hinweise auf mögliche Wege zur Gesundung und zeige auf, warum die Niere das Organ der Individualisierung ist.
Die Entwicklung der Nieren
Die Niere ist das einzige Organ, das sich während der Embryonalentwicklung an drei verschiedenen Stellen ausbildet. Ihre Entwicklung beginnt im Halsbereich, wandert dann über die Brust bis ins Becken, bevor sie schließlich ihre endgültige Position erreicht. Diese Entwicklungsstadien werden in der Medizin als Vorniere, Urniere und Nachniere bezeichnet.
Aus meiner Praxiserfahrung weiß ich, dass Menschen mit Nierenschwäche oft Schwierigkeiten haben, “ihren” Platz zu finden. Sie sind ständig auf der Suche nach einem inneren Zuhause und fühlen sich oft in der Fremde wohler. In der Homöopathie wird dieses Phänomen als “Reisen bessert” beschrieben.
Anatomische Parallelen
Wenn man die Anatomie des Kopfes mit der der Nieren vergleicht, zeigen sich erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Ohren, Ohrtrompete und Rachen sowie Nieren und Blase.
Die äußere Form von Ohr und Niere ist verblüffend ähnlich, und in der traditionellen chinesischen Medizin wird das Ohr sogar als “Öffnung” des Nieren-/Blasen-Funktionskreises angesehen. Häufige Mittelohrentzündungen bei Kindern sind daher ein Hinweis auf eine Schwäche der Nieren. Hier kann Silicea comp (Wala) helfen, um sowohl die oberen Atemwege als auch die Nieren zu stärken.
Die Aufgabe der Nieren
In der gängigen Literatur wird die Niere meist als das Ausscheidungsorgan beschrieben. Tatsächlich jedoch liegt ihre Hauptaufgabe nicht primär in der Ausscheidung. Diese Aufgabe fällt dem Eisenstoffwechsel zu, der die feinen Kapillargefäße der Nieren in einem Prozess ähnlich dem Auspressen eines Schwamms reinigt.
Täglich entstehen etwa 170 Liter Ultrafiltrat, von denen 99% in den Körper zurückgeführt werden. Die Nieren filtern dabei die Stoffe heraus, die für den Körper essenziell sind, und sorgen dafür, dass Mineralien, Vitamine und Spurenelemente nicht ausgeschieden werden. Auf diese Weise tragen die Nieren maßgeblich zur körperlichen Individualität bei.
Eisen und Kupfer
In der anthroposophischen Medizin stehen Eisen und Kupfer in einem besonderen Verhältnis zueinander. Während Eisen für die “Entgiftung des Fremden” steht, symbolisiert Kupfer die “Integration des Fremden”.
Ein Kupfermangel kann durch zu wenig Kupfer im Körper oder durch zu viel Eisen entstehen, was zu krampfartigen Symptomen wie Asthma oder Magenkrämpfen führen kann. In meiner Praxis habe ich bei Kindern mit obstruktiver Bronchitis gute Erfahrungen mit dem Präparat Renes Cuprum (Wala) gemacht, das zur Linderung solcher Beschwerden eingesetzt wird.
Nierenmeridian und emotionale Verbindungen
Der Nierenmeridian beginnt an den Fußsohlen, weshalb kalte Füße häufig zu Blasenentzündungen oder Erkältungen führen. In der chinesischen Medizin gelten die Nieren als “Winterorgan” – eine Zeit der Regeneration. Auch der Tagesrhythmus spielt eine Rolle: Die Nieren sind zwischen 17 und 19 Uhr am aktivsten, während sie ihr Energietief zwischen 5 und 7 Uhr morgens haben.
Die Nieren stehen in enger Verbindung mit den Emotionen. Sie symbolisieren den Beginn und das Ende eines Lebenszyklus. Angst ist eine der Emotionen, die eng mit den Nieren verbunden sind. Übersteigerte Ängste können sich in körperlichen Symptomen wie Tinnitus, Hörsturz oder Rückenschmerzen manifestieren. Auch der Verlust von Beziehungen kann sich negativ auf die Nierenfunktion auswirken, in solchen Fällen empfehle ich häufig die Einnahme von Ceres Solidago Urtinktur, um den Heilungsprozess auf emotionaler Ebene zu unterstützen.
Laborparameter zur Nierenfunktion
Zur Bewertung der Nierenfunktion wird routinemäßig das Kreatinin untersucht. Allerdings reicht dieser Wert allein nicht aus, um ein vollständiges Bild der Nierengesundheit zu bekommen. Es ist notwendig, zusätzliche Parameter zu berücksichtigen.
Harnstoff
Harnstoff entsteht beim Eiweißabbau und wird von der Leber aus dem giftigen Ammoniak umgewandelt. Ein erhöhter Harnstoffspiegel kann auf Nierenfunktionsstörungen hinweisen, aber auch durch andere Faktoren wie fieberhafte Erkrankungen, Gewebezerfall oder Hungerzustände beeinflusst werden.
Kreatinin
Kreatinin entsteht als Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels und wird über die Nieren ausgeschieden. Es hat nach aktuellem Wissensstand keine spezifische Funktion im Körper. Die Höhe des Kreatininspiegels hängt stark von der Muskelmasse und -aktivität ab. Daher ist dieser Wert bei muskulösen Menschen höher und bei älteren oder inaktiven Personen niedriger, unabhängig von der tatsächlichen Nierenfunktion. Kreatinin allein ist daher ungeeignet zur Früherkennung von Nierenproblemen.
Ein zuverlässigerer Marker ist das körpereigene Protein Cystatin C, das besonders bei Patienten mit Nierenproblemen, Sportlern oder Menschen mit Bewegungseinschränkungen gemessen werden sollte.
Auch andere Faktoren, wie Muskelverletzungen, Drogenmissbrauch oder bestimmte Medikamente, können den Kreatininwert beeinflussen, was bei der Interpretation berücksichtigt werden muss.
Cystatin C
Cystatin C ist ein Protein, das von fast allen Zellen des Körpers in relativ konstanter Menge produziert wird und ausschließlich über die Nieren ausgeschieden wird. Da seine Konzentration im Blut direkt von der Filtrationsleistung der Nieren abhängt, ist es ein guter Marker für die Nierenfunktion.
Erhöhte Werte deuten auf Niereninsuffizienz oder Autoimmunerkrankungen hin. Aus dem Cystatin-C-Wert kann auch die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) berechnet werden, die verschiedene Stadien der Nierenfunktion aufzeigt.
Elektrolyte
Neben Eisen, das für die Entgiftung wichtig ist, spielt Kupfer eine entscheidende Rolle bei der Rückresorption in den Nieren.
Um das Gleichgewicht der Mineralien im Körper zu bewerten, sollten auch Ferritin (Speichereisen) und das C-reaktive Protein, welches bei Entzündungen erhöht ist, untersucht werden.
Ursachen für Nierenversagen
Ein akutes Nierenversagen kann durch Schockzustände, Blutdruckabfall oder den Verlust großer Blutmengen, durch die akute Schädigung der Nieren durch Toxine, Medikamente oder Chemikalien sowie durch Nierenentzündungen verursacht werden. Chronische Nierenerkrankungen hingegen entstehen häufig durch langanhaltende Entzündungen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder angeborene Zystennieren.
Cinis Equiseti arvensis Trit. D6 (Weleda), ein Präparat aus Ackerschachtelhalm, hat sich bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz bewährt. Besonders bei Patienten, die sich in der Dialyse befinden oder Anzeichen beginnender Demenz zeigen, konnten positive Effekte beobachtet werden. Der Ackerschachtelhalm bringt Klarheit, Struktur und Stabilität auf körperlicher und seelischer Ebene und kann so den Nierenfunktionskreis unterstützen.
Was tut den Nieren gut?
Reines Wasser ist das beste Mittel, um die Nieren zu unterstützen. Täglich sollten etwa 1,7 Liter Flüssigkeit zugeführt werden. Die optimale Ernährung hängt von der individuellen Nierengesundheit ab. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist es wichtig, die Elektrolyte im Vollblut regelmäßig zu überprüfen. Insbesondere sollte auf die Phosphatwerte geachtet werden. Ein erhöhter Phosphatspiegel erfordert eine Reduzierung phosphatreicher Lebensmittel wie Käse oder geräucherte Speisen.
Bei starker Einschränkung der Nierenfunktion empfiehlt es sich, die Eiweißzufuhr zu reduzieren, da der Abbau von Eiweiß Ammoniak produziert und die Nieren zusätzlich belastet. Dennoch sind essenzielle Aminosäuren für den Stoffwechsel unverzichtbar. Eine gute Basisversorgung lässt sich durch das Stoffwechselprogramm “gesund + aktiv” sicherstellen, das auf die individuelle Nierenfunktion abgestimmt ist. In Fällen starker Niereneinschränkung kann das Nahrungsergänzungsmittel AMINO BALANCE (NewLife nutrition) helfen, die Versorgung mit den acht essenziellen Aminosäuren sicherzustellen.
Patienten, die auf eine Dialyse angewiesen sind, sollten hingegen eiweißreich essen, da durch die Dialyse erhebliche Eiweißverluste entstehen.
Ingwer-Nierenwickel
Für Menschen, die häufig unter kalten Füßen und einem erhöhten Wärmebedürfnis im Beckenbereich leiden, kann der Ingwer Nierenwickel eine wohltuende Behandlung sein. Der Ingwer wirkt wärmend und regt sowohl die Nieren als auch die Nebennieren an. Besonders nach emotionalen Belastungen wirkt dieser Wickel beruhigend auf die Gefühlswelt.
Der Wickel wird aus 2 Teelöffeln Ingwerpulver und 250 ml heißem Wasser zubereitet. Ein Leinentuch wird in dieser Mischung getränkt, ausgewrungen und über die Nieren gelegt. Darüber kommen ein Frotteetuch, eine Wärmflasche und ein Wickeltuch. Nach 20 bis 30 Minuten kann der Wickel entfernt und Lavendelöl auf die Haut aufgetragen werden.
Ruhe und Entspannung
Die Nieren sind besonders empfindlich gegenüber Stress und Überforderung – wie es die Redewendung “Es geht mir an die Nieren” treffend ausdrückt. Um die Nierenfunktion zu unterstützen, sind Erholung und Rückzug von entscheidender Bedeutung.