Reverse T3 – Die unterschätze Bremse unseres Stoffwechsels?

Labormedizin

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Autor: lothar ursinus

Das reverse T3 (rT3) ist ein inaktives Stoffwechselprodukt des Thyroxins (T4), das hauptsächlich in der Leber durch die enzymatische Deiodierung von T4 entsteht. Der Mechanismus, durch den rT3 gebildet wird und den Stoffwechsel verlangsamt, spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Energieverbrauchs. Dabei schützt es nicht direkt die Schilddrüse und fördert auch nicht die Hormonproduktion in der Schilddrüse selbst. Es ist vielmehr ein Marker für eine Umstellung des peripheren Schilddrüsenhormonstoffwechsels, die darauf abzielt, den Stoffwechsel zu verlangsamen und den Energieverbrauch zu reduzieren. Nachfolgend die wichtigsten Aspekte dazu:

Regulation der Schilddrüsenhormone

Die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut wird durch Hypothalamus und Hypophyse kontrolliert. Ein Absinken der Schilddrüsenhormonkonzentration im Blut führt zu einer verstärkten Freisetzung des Thyreotropin-Releasing-Hormons (TRH) aus dem Hypothalamus, wodurch im Hypophysenvorderlappen die Freisetzung des Thyroidea stimulierenden Hormons (TSH) verstärkt wird. Durch TSH wird wiederum die vermehrte Produktion von Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (T4) in der Schilddrüse veranlasst, wobei nahezu 100 % des T4 in der Schilddrüse produziert werden, aber nur 20 % des T3.

Der überwiegende Anteil von T3 entsteht in der Peripherie aus dem Prohormon T4. Das erfolgt mittels des selenabhängigen Enzyms 5´-Deiodase, indem vom äußeren Ring des T4 ein Jodatom abgespalten wird.

Gleichzeitig kann auch das physiologisch inaktive reverse T3 (rT3) aus T4 gebildet werden.Diese Umwandlung findet ebenfalls außerhalb der Schilddrüse statt. Verantwortlich dafür sind die 5-Deiodasen, die ein Jodatom aus dem inneren Ring des T4 entfernen.

Die Steuerung der Deiodasen erfolgt über den Stoffwechsel. Je nach Bedarf werden unterschiedliche Deiodasen aktiviert.

  • Typ-1-Deiodinase (D1) kommt vor allen Dingen in der Leber, Niere und Schilddrüse vor. Dieser kann sowohl 5´-Dejodierung (T4 → T3) als auch D-Jodierung (T4 → rT3) katalysieren, jedoch ist ihre Hauptaufgabe gewöhnlich die T3-Bereitstellung. 
  • Typ-2-Dejodinase (D2) findet vor allem im Gehirn, Hypophyse, Skelettmuskulatur und braunem Fettgewebe statt. Sie ist verantwortlich für 5´-Dejodierung (äußerer Ring) und damit die lokale Erzeugung von T3 aus T4 in den Zielgeweben. 

Typ-3-Deiodinase (D3) kommt in der Plazenta, Gehirn und anderen Geweben vor. Sie wird bei Stress und Krankheiten häufig hochreguliert. Sie ist für die 5-Deiodierung (innerer Ring) verantwortlich und erzeugt primär rT3 aus T4.

Reverse T3 und seine Bedeutung

Reverse T3 (rT3) hat keinen Einfluss auf die Schilddrüse direkt, und es wirkt nicht auf die Produktion von T4 oder T3 in der Schilddrüse ein. Die Hauptfunktion der Schilddrüse bleibt die Produktion von T4 und zu einem geringen Teil auch T3.

Die Rolle von rT3 ist es, den Energieverbrauch zu senken, indem es die Aktivität von T3 im Körper reduziert. Durch die vermehrte Umwandlung von T4 in rT3 wird weniger aktives T3 produziert, was den Gesamtstoffwechsel verlangsamt.

rT3 ist also ein Schutzmechanismus, der den Körper vor einer übermäßigen Stoffwechselaktivität und einem zu hohen Energieverbrauch bewahrt. Diese reduzierte Stoffwechselaktivität kann dazu führen, dass die Schilddrüse weniger T4 und T3 benötigt, da die Zellen des Körpers weniger von diesen Hormonen nutzen.

Auslöser, die zu erhöhter rT3-Produktion führen können:

Stressreaktion und Cortisol

Cortisol, ein katabol wirkendes Hormon, wird in Stresssituationen vermehrt ausgeschüttet. Bei einem Zustand von Hypercortisolismus (z. B. durch anhaltenden Stress oder als Kompensationsmechanismus für anabol wirkende Hormone) versucht der Körper, den Anabolismus zu bremsen und Energie zu konservieren. Cortisol kann dabei die Aktivität der 5′-Deiodinase, die T4 in das aktive T3 umwandelt, hemmen und gleichzeitig die Aktivität der 5-Deiodinase, die T4 in rT3 umwandelt, steigern.

Durch diesen Mechanismus wird die Umwandlung von T4 in rT3 gefördert, während die Bildung von aktivem T3 reduziert wird. Dies ist ein Weg des Körpers, um den Stoffwechsel herunterzufahren und den katabolen (abbauenden) Effekten des Cortisols mehr Gewicht zu verleihen, um das Gleichgewicht zwischen anabolen und katabolen Prozessen zu wahren.

Regulation des Stoffwechsels durch Cortisol:

Cortisol spielt eine wesentliche Rolle bei der Energieverteilung im Körper. Es stellt sicher, dass in Stressphasen genügend Glukose für lebenswichtige Organe wie das Gehirn zur Verfügung steht, indem es die Gluconeogenese in der Leber fördert und den Abbau von Muskelgewebe unterstützt.

Eine vermehrte rT3-Produktion trägt dazu bei, den Stoffwechsel zu verlangsamen und den Bedarf an T3, das den Energieumsatz steigert, zu verringern. In Situationen, in denen der Körper anabole Signale (z. B. durch Testosteron, Östrogene oder Wachstumshormon) erhält, die den Aufbau von Gewebe fördern, kann Cortisol als Gegengewicht fungieren, um sicherzustellen, dass diese anabolen Effekte nicht übermäßig werden. Dies führt zu einer vermehrten Cortisolproduktion und, im Zusammenhang damit, zu einer erhöhten rT3-Bildung, um den Gesamtenergieverbrauch zu kontrollieren.

Verändertes Hormon-Gleichgewicht:

In einem Zustand von erhöhtem Anabolismus im Stoffwechsel, beispielsweise ausgelöst durch einen dauerhaft erhöhten Insulinspiegel aufgrund kohlenhydratlastiger Ernährungsweise, reduziert das limbische System über das Somatostatin zuerst das Wachstumshormon und später erhöht es zum anabol/katabolen Ausgleich das Cortisol.

Um jedoch zu verhindern, dass der Energieverbrauch zu stark ansteigt und die Reserven erschöpft werden, wirkt Cortisol als Bremse. Es moduliert dabei den Schilddrüsenhormonstoffwechsel, indem es die Umwandlung von T4 zu T3 reduziert und stattdessen die Bildung von rT3 fördert. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass der Körper nicht in einen hypermetabolischen Zustand gerät, der durch die anabolen Hormone ausgelöst werden könnte.

Darstellung nach Wolfgang Lutz: Regulationsmedizin

Darstellung nach Wolfgang Lutz: Regulationsmedizin

Erkrankungen, Traumata, Medikamente und Mangelernährung.

Die vermehrte Produktion von rT3 wird auch ausgelöst durch: 

  • schwere Erkrankungen oder Traumata, wie beispielsweise Sepsis, Herzinfarkt, schwere Verbrennungen, Leberzirrhose, Hepatis, chronisches Nierenversagen
  • Medikamente, wie Glukokortikoide, Betablocker, Antiarrhythmika der Klasse III (Amiodaron)
  • Mangelernährung, durch Fasten, starke Kalorienreduktion, Proteinmangel, Anorexia nervosa
  • Chronische Entzündungen, wie Autoimmunerkrankungen, chronische Infektionen
  • Extreme körperliche Belastungen, wie Übertraining oder Marathonlauf
  • Schlafmangel und gestörter zirkadianer Rhythmus
  • Schwangerschaft bewirkt ein physiologische erhöhtes fT3 durch den Anstieg des Östrogens und dem Ausgleich durch Cortisol
  • Hormonelle Störungen, wie Schilddrüsenüberfunktion (als Schutzmechanismus) und Cushing-Syndrom

Diese aufgeführten Faktoren können die Aktivität der Deiodinase Typ 3, die T4 bevorzugt zu rT3 umwandelt verstärken, und/oder die Aktivität der Deiodinase Typ 1, die normalerweise T4 zu T3 umwandelt, vermindern. Der Körper nutzt diesen Mechanismus, um den Stoffwechsel in Stresssituationen zu drosseln und Energie zu sparen.

Wie kommt es zur Energieeinsparung?

In der Vergangenheit wurde teils angenommen, dass rT3 an denselben Rezeptoren (TRα und TRβ) vorrangig im Zellkern bindet und so T3 verdrängen oder blockieren könnte. Neuere Untersuchungen legen allerdings nahe, dass die Affinität von rT3 für die Rezeptoren deutlich geringer ist als die von T3, teilweise so gering, dass eine direkte Rezeptorblockade (im Sinne eines Antagonismus) physiologisch kaum ins Gewicht fällt.

Die Wirkung von rT3 auf die Reduktion des aktiven T3-Spiegels geschieht auf andere Weise und kann indirekt zu Symptomen führen, die einer Schilddrüsenunterfunktion ähneln. Dazu gehören:

Konkurrenz um das Substrat T4

Die Schilddrüse produziert hauptsächlich zwei Hormone: T4 (Thyroxin) und T3 (Triiodthyronin). T4 ist das “Prohormon”, das in den peripheren Geweben durch Deiodasen in das aktivere Hormon T3 umgewandelt wird. Wenn vermehrt T4 durch die 5-Dejodinase zu rT3 konvertiert wird, bleibt weniger T4 für die Umwandlung in aktives T3 übrig. Das reduziert effektiv die Menge an zirkulierendem T3, da der T4-Pool vermehrt für die rT3-Produktion genutzt wird.

Verdrängung durch rT3 an Transportern

Sowohl T3 als auch rT3 benötigen spezifische Transportproteine, um in die Zielzellen einzutreten, wo T3 seine Wirkung entfaltet. rT3 kann diese Transporter teilweise blockieren oder verdrängen, sodass weniger aktives T3 in die Zellen gelangt. Die T3 regulierenden Effekte werden dadurch in den Zellen gesenkt.

Veränderung der Enzymaktivität

In stressigen oder pathologischen Zuständen wie Entzündungen, chronischem Stress oder bei Krankheit wird die Aktivität der 5′-Deiodinase (die T4 in T3 umwandelt) oft gehemmt, während die 5-Deiodinase (die T4 in rT3 umwandelt) vermehrt aktiv ist. Diese Verschiebung zugunsten der rT3-Produktion führt zu einer geringeren T3-Konzentration im Blut und damit zu einer geringeren Verfügbarkeit des aktiven Hormons.

Beeinflussung des Schilddrüsenhormonabbaus

rT3 wird schneller abgebaut als T3. Während rT3 also keine direkte Blockade an den T3-Rezeptoren darstellt, führt sein vermehrter Abbau dazu, dass vermehrt T4 in inaktives rT3 umgewandelt wird, das dann rasch ausgeschieden wird. Somit bleibt weniger T4 für die Konversion in T3 übrig, was den T3-Spiegel zusätzlich senkt.

Negative Rückkopplung auf die HPT-Achse: In bestimmten Stresssituationen kann der Körper die Hormonregulation über die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse (HPT-Achse) anpassen, um die Stoffwechselrate zu senken. Bei erhöhtem rT3 kommt es jedoch häufig vor, dass der TSH-Wert nicht deutlich steigt, obwohl der T3-Spiegel sinkt, was darauf hindeutet, dass der Körper den Zustand akzeptiert, um Energie zu sparen. Diese Art der Anpassung führt jedoch nicht zu einer primären Schilddrüsenunterfunktion, sondern zu einer „funktionellen“ oder „sekundären“ Schilddrüsenunterfunktion.

Laborbefund: Energiestoffwechsel

Laborbefund: Schilddrüsen- und Nebennierenhormone

In dem Befund ist deutlich erkennbar, dass die Schilddrüse über die Hypophyse mittels TSH vermehrt zur Hormonproduktion angeregt wird. Isoliert betrachtet wäre es aus Sicht von Labor ganzheitlich eine Schilddrüsenunterfunktion. Erst die Betrachtung von ft3, fT4 und rT3 macht deutlich, dass aus dem T4 vermehrt rT3 umgewandelt wird. In Verbindung mit den Nebennierenhormonen DHEA’S und Cortisol komplettiert sich das Bild: Dauerstress.

Wann sollte das rT3 zusätzlich im Rahmen der Vital- und Stoffwechselanalyse untersucht werden?

Zu einer sicheren Schilddrüsendiagnostik gehören TSH, fT3, fT4, TPO und das rT3 sowie die Cofaktoren Eisen, Jod und Selen. Um den Energiestoffwechsel insgesamt beurteilen zu können, ist es empfehlenswert, auch das DHEA’S und Cortisol in die Untersuchung mit aufzunehmen. Bei den nachfolgenden Erkrankungen ist es hilfreich, die erwähnten Laborparameter zur Absicherung der Diagnose zu untersuchen:

  • Migräne (Hypoglykämie, Hypercortisolismus bei relativem Cortisolmangel)
  • Leberfunktionsstörungen
  • Gewichtsprobleme: Übergewicht oder Unterernährung (Anorexia nervosa)
  • Depression, CFS. ME
  • Dauerstress oder Überforderungen (Leistungssportler)
  • Diabetes mellitus, metabolisches Syndrom
  • Einnahme von Schilddrüsenhormonen, um einen möglichen paradoxen Effekt durch Anstieg des hemmenden rT3 zu erkennen.

Erkenntnis

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Produktion von rT3 eine adaptive Reaktion des Körpers ist, um in stressigen oder krankhaften Zuständen den Energieverbrauch zu drosseln und den Körper zu schützen. Dies ist besonders wichtig, um Ressourcen zu sparen und den Körper vor Überlastung zu bewahren. Es ist ein Zustand von Hypercortisolismus bei gleichzeitig relativem Cortisolmangel.



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