Zonulin und I-FABP: Schlüsselparameter für eine gesunde Darmbarriere

Labormedizin

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Autor: lothar ursinus

Die Darmgesundheit ist in der Naturheilkunde ein zentrales Thema. Störungen im Darm beeinträchtigen nicht nur den Stoffwechsel, sie gelten auch als ein wichtiger Ausgangspunkt für die Entstehung chronischer Erkrankungen.

Ein gesunder Darm erfüllt zwei unterschiedliche Funktionen.
Er ist für die Aufnahme von Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen zuständig und muss dafür sorgen, dass keine schädlichen Mikroorganismen oder Schadstoffe in den Organismus gelangen. Das sind zwei völlig gegensätzliche Herausforderungen, die unser Darm stets aufs Neue bewältigen muss. Um den Darm gesund zu erhalten, arbeiten Schleimhaut, Immunsystem, Bakterienflora und das Darm-Nervensystem als eine Einheit zusammen.

Ob der Darm gesund ist, kann im Labor über verschiedene Parameter im Blut und im Stuhl untersucht werden. Die häufigste Fragestellung gilt der Barrierefunktion der Schleimhaut und dem Epithel des Dünndarms.

Darmbarriere

Bei einer Schwächung der Schleimhaut gelangen vermehrt Bakterien der normalen Darmflora direkt auf das Epithel. Sie können sogar teilweise in die Darmwand eindringen. Dieser Kontakt mit den Bakterien löst Entzündungen aus. Besteht dieser Kontakt dauerhaft, entsteht eine chronische Entzündung des Darmepithels, eine entzündliche Darmbarriere.

In der Folge bricht der Zellverband, der durch die tight junctions (Proteine, die sich zwischen den Epithelzellen befinden) zusammengehalten wird, auf. Es entsteht ein löchriger Darm (Leaky Gut). Große Moleküle unverdauter Nahrung, Viren, Bakterien, Pilze, Schwermetalle und andere Giftstoffe können dadurch unkontrolliert aus dem Darm ins Körperinnere einströmen.

Das Immunsystem wird aktiv und reagiert auf die »Eindringlinge«, indem es Entzündungsstoffe, sogenannte Zytokine, ausschüttet und Antikörper gegen die Fremdstoffe bildet. Diese gelangen über das Lymphsystem in die Blutbahn und können sich im gesamten Körper verteilen.

In der Literatur wird dieser Prozess als stille Entzündung oder auch als silent inflammation beschrieben. Im Laborbefund sind dabei die normalen Entzündungsparameter, wie das hochsensitive C-Reaktive Protein (hCRP) oder auch das Kynurenin nur selten erhöht.

Da die Darmepithelien auch an der Produktion verschiedener Enzyme beteiligt sind, treten in Verbindung mit dem Leaky Gut auch Enzymmangelsituationen im Stoffwechsel auf. Dazu gehört unter anderem die Histaminose. Sie ist auf einen Mangel an Diaminoxidase zurückzuführen, ein Enzym, das für den Abbau von Histamin im Darm erforderlich ist. Im Laborbefund kann dazu die Diaminoxydase im Blutserum bestimmt werden.

Neben der entzündlichen Darmbarrierestörung gibt es auch die degenerative Darmbarrierestörung. Sie kann die Folge einer Entzündung sein oder durch eine funktionelle Schädigung der Darmepithelien entstehen. Die Auslöser und Auswirkungen der beiden physiologischen Situationen können identisch sein.

Auslöser für Darmbarrierestörungen

  • Die wichtigsten Auslöser sind Nahrungsmittel und Ernährungsweisen. Häufig wird zu schnell, zu viel, zu oft und zu hochkalorisch gegessen. Dazu kommt als ein wichtiger Faktor, dass Nahrungsmittel gegessen werden, die nicht zum individuellen Stoffwechsel passen. Dabei handelt es sich um Antinährstoffe in Nahrungsmitteln, auf die das individuelle Mikrobiom und Immunsystem im Darm nicht adaptiert sind. Für fast alle Stoffwechselprägungen sind Weizen, Kuhmilch, Soja und Nachtschattengewächse bedenklich.
  • Ein weiterer Faktor ist Dauerstress. Er führt aufgrund der Überforderung zu einer mangelnden Anpassungsfähigkeit des Regulationssystems. Davon sind hauptsächlich Nebenniere und Darm betroffen. Dauerstress ist die häufigste Ursache für eine degenerative Darmbarrierestörung ohne Entzündungszeichen.
  • Funktionsstörungen von Magen, Leber/Galle und Bauchspeicheldrüse finden in der allgemeinen Darmdiagnostik nur selten Beachtung. Die ausreichende Aktivität der Drüsen ist eine wichtige Voraussetzung für den intakten Darm. Hinzu kommt noch im Alter die nachlassende Nierenfunktion. Alle diese Faktoren können im Rahmen einer umfangreichen Vital- und Stoffwechselanalyse im Blutlabor untersucht werden. Die Stuhluntersuchung gibt dazu keine sicheren Auskünfte.
  • Medikamente, Alkohol und Umweltbelastungen dürfen bei der Betrachtung von Darmbarrierestörungen nicht übersehen werden. Diese Auslöser gehen in der Regel nicht mit Entzündungsanzeichen der Darmbarriere einher.

Darmbarrierestörungen im Laborbefund

Ein bekannter Laborparameter für Darmbarrierestörungen ist das Zonulin. Es gehört zur Familie der Prä-Haptoglobine (Akute-Phase-Proteine bei Entzündungen). Zonulin wird vermehrt bei Entzündungen der Darmepithelien freigesetzt. Dadurch erhöht sich auch der Zonulinspiegel im Blutserum.

Allerdings kann bei zunehmender Entzündung und damit einhergehender Schädigung des Darmepithels die Freisetzung an Zonulin reduziert werden. Das sehen wir insbesondere bei länger andauernder Darmschädigung, aber auch toxischen Darmbelastungen und Dauerstress.

Seit einiger Zeit ist es möglich, das im Zytoplasma der Darmepithelzellen gebildete intestinale fettsäurebindende Protein (Intestinal-fatty acid binding protein), als I-FABP abgekürzt, im Serum zu messen. I-FABP ist zu 100% für den Darm spezifisch. Wird das Darmepithel geschädigt, wird I-FABP in der Zirkulation freigesetzt und ist im Serum messbar.

I-FABP und Zonulin werden unterschiedlich reguliert. Zonulin wird von den Dünndarmepithelzellen sezerniert. Voraussetzung ist ein inflammatorisches Signal (Entzündung) und eine Mindestmenge an intakten Darmepithelzellen, die noch Zonulin produzieren. I-FABP hingegen liegt immer in ausreichender Menge in den Mikrovilli der Darmepithelien vor.

Es wird nicht inflammatorisch kontrolliert, sondern tritt bei jeder strukturellen Schädigung des Darmepithels ins Blut über. Eine sichere Diagnose ergibt sich aus der Untersuchung beider Laborparameter.

Laborbefunde

Die unter Laborbefunde (siehe Grafik) dargestellten Ergebnisse zeigen unterschiedliche Konstellationen beider Laborparameter.

  • Beispiel 1: Es handelt sich hier um eine entzündliche Darmbarrierestörung mit einer noch ausreichenden Zellstruktur.
  • Beispiel 2: Da beide Laborwerte erhöht sind, handelt es sich um eine entzündliche und degenerative Darmbarriestörung.
  • Beispiel 3: Es ist nur das I-FABP erhöht. Daher besteht keine entzündliche, sondern eine degenerative Darmbarrierestörung mit geschädigter Zellstruktur. Dieser Zustand kann als Folge einer chronisch entzündlichen Darmbarrierestörung entstanden sein oder ihren Ursprung in einer toxischen Belastung haben oder auch durch Dauerstress entstanden sein. Hätten wir nur das Zonulin untersucht und nicht gleichzeitig das I-FABP, wäre die bestehende Störung der Darmbarriere nicht erkannt worden.
  • Beispiel 4: Dieser Befund zeigt eine degenerative Darmbarrierestörung in der kaum noch Zonulin produziert wird. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Enzyme vermindert zur Verfügung stehen, wie beispielsweise die Diaminoxidase (DAO).

Indirekte Hinweise auf Darmstörungen

Neben den direkten Markern für Darmbarrierestörungen, Zonulin und I-FABP, gibt es im Blutlabor noch weitere Parameter, die nach der Sichtweise von Labor ganzheitlich mit Darmbelastungen in Verbindung stehen können.

Laborbefund mit Hinweisen auf einen gestörten Darm

  • Verminderte Leukozyten können auf postprandiale Entzündungen hinweisen.
  • Die reduzierte Anzahl der Erythrozyten, erhöhtes MCV und Vitamin-B12-Mangel treten bei einem alkalischen Darm auf. Noch deutlicher wird dieser Hinweis, wenn auch der Harnstoffgehalt im Blutserum als Stoffwechselendprodukt des Ammoniakstoffwechsels, ansteigt.
  • Erhöhte Leberwerte sind ein deutliches Zeichen für die Belastung dieses so wichtigen Stoffwechselorgans.
  • Die Pankreaswerte sind aus Sicht von Labor ganzheitlich reduziert. Das Organ arbeitet nicht optimal. Die Folge kann ein alkalischer Darm sein.
  • Die verminderte glomeruläre Filtrationsrate dokumentiert eine Nierenschwäche. Alles, was die Nieren nicht ausscheiden, versucht der Organismus erst einmal über die Schleimhäute und später über die Haut zur Ausscheidung zu bringen. Die Folge ist eine gestörte Darmfunktion, die sich später an der Haut darstellt.

Darmbarrierestörungen in der Stuhldiagnostik

In Studien zeigte sich, dass bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen sowie bei gesunden Probanden die Stuhl- und Blutergebnisse keine identischen Ergebnisse aufwiesen.

Es liegt darin begründet, dass das im Dünndarm produzierte und ins Darmlumen abgegebene Eiweiß Zonulin durch intestinale und mikrobielle Proteasen noch während der Darmpassage abgebaut wird. Das Zonulin, was im Stuhl gemessen wird, stammt überwiegend aus dem Dickdarm. Im Blut wird Zonulin dagegen nicht abgebaut.

Es hat sich gezeigt, dass die Zonulinwerte im Blut auch meist besser zu den aktuellen klinischen Beschwerden der Patienten passen. Auch die messbaren Sekundärfolgen eines Leaky Gut, wie z.B. Mineralstoffmangel oder die Aufnahme toxischer Metalle, sind häufig mit den Ergebnissen der Blutanalyse übereinstimmend.

Im Stuhl können noch weitere Darmbarrieremarker untersucht werden. Alpha-1-Antitrypsin ist ein in der Leber gebildetes Protein, das nur bei gestörter Darmbarriere in den Stuhl übertritt. Bei leichteren Barrierestörungen ist das Alpha-1-Antitrypsin unauffällig, da es in Abhängigkeit von der Darmpassagezeit bakteriell abgebaut wird. SIgA, Lactoferrin und Calprotectin sind spezifische Entzündungsmarker, die nicht bei Stress oder toxisch bedingtem Leaky Gut reagieren.

Aus den genannten Gründen empfehle ich die Zonulin-Untersuchung ausschließlich im Blut-Serum durchzuführen. Sicherheitshalber sollte es durch das I-FABP ergänzt werden.

Therapieempfehlungen bei einer Darmbarrierestörung

Der Ansatzpunkt in der Therapie der Darmbarrierestörungen ergibt sich aus den Ergebnissen der Vital- und Stoffwechselanalyse. Das Thema Ernährung ist dabei immer der wichtigste Aspekt.

Ich arbeite in der Praxis mit dem »Stoffwechselprogramm von gesund + aktiv«. Es basiert auf die genetische und epigenetische Stoffwechselprägung. Meine Empfehlungen zur Ernährungsweise beziehen sich auf »langsam essen und gut kauen«, ausreichende Pausen zwischen den Mahlzeiten und in guter Atmosphäre sein Essen genießen.

Dem Dauerstress kann mit der »Macht der Pausen« begegnet werden. Strophanthus comp. (Wala) und STRESS BALANCE (NewLife nutrition) dienen zur allgemeinen Unterstützung der Nebennieren.

Die Drüsenschwäche erfordert unbedingt gutes Kauen. Das ist die einfachste und preiswerteste Therapie zur Anregung der Verdauungsdrüsen. Darmunterstützende Therapeutika, wie COLO ACTIV (NewLife nutrition), Engelwurz (Ceres), Taraxacum Stanno cultum D2 (Weleda) oder das Steuerungsmittel für die Verdauung, Cichorium Plumbo cultum D2 (Weleda) sind einige der Mittel, die das Drüsensystem unterstützen.

Toxische Belastungen durch Antibiotika, Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Protonenhemmer oder Giftstoffe aus der Nahrung sollten in der Therapie ebenfalls berücksichtigt werden. In der täglichen Praxis gibt es eine Vielzahl geeigneter Mittel dafür. Ich arbeite vorzugsweise mit der Aminosäure L-Glutamin (GLUTAMIN ACTIVE, NewLife nutrition), dem Darmreinigungs- und Regenerationsmittel COLO ACTIV (NewLife nutrition), OXI BALANCE (NewLife nutrition), Imperatoria osthrutium (Ceres) und mit dem großen Mittel der »Grenzflächen«, Equisetum arvense Silicea cultum D2 (Weleda).

Erkenntnis

Die Untersuchung von Zonulin und I-FABP ist ein sicheres Duo in der Diagnostik von Darmbarrierestörungen. Die in der Folge auftretenden niedriggradigen Entzündungen gelten in der wissenschaftlichen Medizin als wichtigste physiologische Ursache vieler chronischer Erkrankungen. Damit hat der Ausspruch von Hippokrates »Der Tod sitzt im Darm«, fast 2400 Jahre später, nichts an Aktualität verloren.


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